Das Bild zeigt den Blick aus dem Gleitschirm nach Landshut. Dieses Bild habe ich dem frisch gewählten Oberbürgermeister der Stadt Landshut zu seiner Wahl geschickt. Es soll den wichtigen Blick auf das große Ganze tragen und den neuen OB im Amt begleiten.
Der Blick auf das große Ganze
Niederbayern und besonders der Raum Landshut ist der Eiweißlieferant Bayerns. Hier wird hochwertiges Protein in Form von Schweinefleisch in einer Dichte produziert, dass damit das 4,3fache des regionalen Bedarfs gedeckt werden kann. Daneben steht BMW und in unserer Region der Flughafen. Die Stadt Landshut und auch die Ingolstädter AUDI wird mit Mitarbeitern aus dem nördlichen Raum Landshuts beliefert. Wenn Bayern der Job- und Wirtschaftsmotor Deutschlands ist, ist der Großraum Landshut bis Straubing der Jobmotor Bayerns. Doch wie lang noch?
Ein positives Teilergebnis der Wirtschaftsstärke ist auch die Wissensbündelung. Denn da wo man gutes Geld verdienen kann, gibt es meist eben hochqualifizierte Jobs. Unsere Gemeinde ist so ein HQ-Lieferant. Wir haben ein hohes Durchschnittsgehaltsniveau und ein hohes Bildungsniveau. Unser Maristen-Gymnasium trägt daran einen beträchtlichen Anteil. Und auch bei der Grundstücksvergabe schaut BMW und der Flughafen aus vielen Lebensläufen von Ingenieuren, Doktoren, Piloten und Fluglotsen.
Das Detail
Doch wenn wir eine Veranstaltung planen, einen Markt abhalten, Bürgerversammlungen durchführen oder einfach nur einen Maibaum stellen wollen, sieht man immer die gleichen, wenn auch meistens freundlichen, dann doch selben Gesichter. Es sind Handwerker, Dienstleister, Freiberufler, Angestellte, VerkäuferInnen und Hausfrauen die sich Zeit für Gemeinschaft – Zeit für Miteinander und Kultur nehmen. Wir sind nicht gerade die reichste Gemeinde und kein Kulturdezernent hat den ganzen Tag Zeit die nächste Vernissage oder das nächste Konzert zielgruppenscharf zu planen. In Gemeinden mit 3.500 EW ist das Chefsache. D.h. meine Sache. Klar, habe ich ein paar Leute die mich unterstützen. Meine Assistenz, welche die Orga des Abends übernimmt und Mitarbeiter des KU, die Karten abnehmen, den Künstler betreuen und den Weg zur Toilette zeigen. Und dann noch das Gymnasium und sein Rektor, ohne welche es weder Bühne noch Toilette überhaupt gäbe. Wir machen was! Werbung, Anzeigenschalte, Onlineverkauf, Freikarten und …. Nichts! „Man kennt ja den Künstler nicht! Ich habe davon noch gar nichts gehört. Ihr müsstet mal Werbung machen (steht auf Facebook, im Internet, Infoblatt, Zeitung, hängt an allen Anschlägen und findet an einer Schule mit 750 SchülerInnen statt)“. Und einer sagt es dann: „Die fliegen lieber für 500,- € zu zweit nach Berlin zu Coldplay, als das die vor Ort was ausprobieren.“
Was soll ich daraus für Schlussfolgerungen ziehen? Bedeutet Bildung nicht gleich Kulturinteresse? Bedeutet hohes Einkommen nicht gleich auch mal Geld für einen Abend auszugeben, der nicht eindeutig sagt wie er dann endet? Läuft hier vor Ort wirklich nur „de Gruberin“ und „LaBrassBanda“? Haben alle den Freitagabend so ausgeplant, dass einfach nichts mehr geht? Oder ist das Onlineangebot einfach völlig ausreichend? Kann ich mit youtube mir meinen ganz individuellen kostenlosen Kunstgenuss überall und jederzeit einfach aufs Smartphone holen, und das reicht dann?
Ich habe viele Jahre mit Musik und Kultur mein Geld zum Leben verdient. Gut, das war bei der Bundeswehr und jeder Sinfonierorchestermusiker hat nur schief auf den Militärmusiker herabgeschaut, aber es war zu einer Zeit in der selbst in Hinterpfuideifl ein 500er Saal zu über 2/3 gefüllt wurde. Auch wenn das Durchschnittsalter bei 75 lag.
Das besondere dabei war, dass wir Militärmusiker überhaupt nach Hinterpfudeifl wie z.B. Doberlug-Kirchhein, Wriezen, Burg oder Herzberg/Elster gefahren sind. Heute geht das nicht mehr. Denn die Zahl der Orchester wurde derart dezimiert, dass diese Orte einfach nicht mehr in den Aufgabenbereich des mobilen Kulturtransfers gehören. Das wiederum heißt, dass eben nichts mehr ein Aufgabenprofil hat um diese Orte besuchen zu wollen oder zu müssen.
1997 fragte mich der damalige Oberfeldarzt und Regimentskommandeur Dr. Dietlmeier ob ich nicht eine Regimentsmusik aufbauen könnte. Wir probten und marschierten und auf einmal waren wir in der Lage uns auch außerhalb des Übungsraumes zu zeigen. Militärisch und symphonisch. In diese Zeit fiel auch das Gedenken zum Volkstrauertag am Buß- und Bettag des November 1997. Mit Ehrenformation und allen formalen Voraussetzungen lief die Kranzniederlegung und die Feierstunde ab. Wir organisierten Feldtrompeter für das Lied vom guten Kameraden und eine kleine Trommel für den Begleitwirbel während der Kranzniederlegungen.
Aufgeregt und stolz wurde ich heuer erstmalig durch die Standorterweiterung nach Feldkirchen als Bürgermeister meiner Gemeinde eingeladen. Ich gab dafür extra das beste Rehragout der Gemeinde beim Jagdessen an den 2. Bürgermeister ab, um bei Kälte und Dunkelheit draußen in Paradeaufstellung zu stehen. Das war’s dann aber auch schon. Denn die Musik kam inkl. des guten Kameraden aus dem Lautsprecher und die kleine Trommel… Reden wir nicht darüber. Der ältere Mann der KSK tat mir leid.Er hat sich wirklich bemüht.
Danach gab es – der Regierungsvizepräsident nannte es Eintopf – Reis mit Hühnerfrikassee aus den bekannten orangefarbenen Warmhalteboxen der Truppenverpflegung. Im Vertrauen gestand mir der leitende Oberstarzt, dass dafür einfach keine Mittel mehr da sind. Auch das tat mir wirklich leid und ist doch für unsere Kulturlandschaft symptomatisch.
Vielleicht ist youtube ja die Lösung. Kein Künstler mehr zum Anfassen, kein Trompeter am Volkstrauertag und alles was noch analog geht ist Comedy. Weil da brauch ich die Lacher der anderen Gäste um den flachen Gag auch lustig zu finden. Allein vor youtube funktioniert das irgendwie nicht. Da springt der Funke nicht über.
Aber zum Glück gibt es ja noch etablierte Veranstaltungen die schon wieder Tradition geworden sind und dadurch mir ein Gefühl von Heimat und Kultur vermitteln. So freue ich mich auf unser 10. Tritonus-Brass-Konzert im Rahmen des Landshuter Krippenweges in der Dominikanerkirche am 4. Advent. Ach halt. Stimmt ja. Da wurden wir ja vom Verkehrsverein ausgeladen und aus „auf Spendenbasis“ hat man nun „gegen Eintritt“ gemacht. Naja, wenigstens haben wir noch unser Moosburger Konzert am zweiten Advent. Halt stimmt ja. Da dürfen wir jetzt die Sakristei nicht mehr als Aufenthaltsort nutzen und sollen noch 150,- € mitbringen, dafür dass wir ein bisher kostenloses Kulturangebot der blechbläserischen Oberklasse geschaffen hatten.
Irgendwas mache ich falsch, wenn ich als Gemeinde einem Berliner Künstler die Möglichkeit gebe, hier in der niederbayerischen Diaspora dem Menschen eine Steighilfe für den Blick über den Tellerrand zu sein. Ich war und bin mehr als mein halbes Leben ein kulturschaffender Mensch gewesen. Doch hier und heute gebe ich es auf.