Rede anlässlich des zentralen Volkstrauertagsgedenken in Furth
Heute, am Volkstrauertag, erinnern wir uns in ganz Deutschland an die Opfer von Terror und Gewaltherrschaft. Millionen Menschen mussten sterben und geben auch heute noch ihr Leben, weil nicht Frieden sondern Krieg herrscht.
Nach wie vor sind wir es gewohnt von Freunden umgeben zu sein. Wir kennen in unserer Gemeinde keinen Krieg am eigenen Leib und auch unsere Eltern waren Kinder, als der letzte Krieg auf deutschem Boden zu Ende ging.
Und doch sind zu dieser Stunde unsere Kinder, unsere Brüder und Schwestern, unsere Nachbarn und Freunde in Europa, Asien und Afrika im Einsatz um unsere Freiheit außerhalb von Deutschland zu verteidigen. 3.100 Soldatinnen und Soldaten unserer Deutschen Bundeswehr – Männer und Frauen – leisten zu dieser Stunde ihren Dienst außerhalb der Heimat. Seit dem Überfall der Ukraine am 24. Februar 2022 sind die meisten Soldaten an der Ostfront der Nato der sogenannten Enhanced Forward Presence im Baltikum eingesetzt. Derzeit führt Deutschland die efp-Gruppe in Litauen mit 1.700 Soldatinnen und Soldaten.
Vor 14 Jahren nahm der damalige Verteidigungsminister zu Guttenberg nach der Rückkehr dreier toter Soldaten aus Afghanistan erstmals das Wort vom Krieg in den Mund. Nils Bruns, Robert Hartert und Martin Augustyniak hatten am Karfreitag ihr Leben gelassen. Der Sturm der Entrüstung darüber das sich Deutschland an kriegerischen Handlungen beteiligen würde, hallte durch die gesamte Medienlandschaft und empörte die progressiven Teile unserer Gesellschaft.
Vor acht Tagen sprach der aktuelle Verteidigungsminister Pistorius davon, dass „Deutschland wieder kriegstüchtig“ werden muss.
Vor genau 100 Jahren waren die über 13 Millionen gefallenen deutschen Väter und Brüder des ersten Weltkrieges scheinbar vergessen. Marschierten ein österreichischer Obergefreiter und ein deutscher General auf die Münchner Feldherrenhalle und versuchten italienische Verhältnisse in Deutschland herzustellen. Weitere 10 Jahre später brannten in ganz Deutschland die Synagogen. Weitere 12 Jahre später waren 65 Millionen Menschen gefallen, vergast, erschossen, verhungert und auf jede erdenkliche Art des Lebens beraubt.
Heute rühren sich erste Stimmen die eine Vergleichbarkeit unserer Zeit mit der Zeit der Weimarer Republik sehen. Die mit dem Erstarken der AfD eine Wiederholung der Geschichte erwarten. Und ja, die Wahlen zeigen auch Ergebnisse die diese Überlegungen untermauern. Doch geht es sowohl den einen noch den anderen darum daraus Erkenntnisse zu gewinnen oder Konsequenzen zu ziehen.
Wir fühlen uns als Bürgerinnen und Bürger dazu verdammt zuschauen zu müssen. Doch wir können jeden Tag etwas dazu beitragen das Frieden herrscht. Wir die wir heute hier versammelt sind wissen, dass es gerade deshalb unsere Verantwortung ist an die Toten zu erinnern. Wir geben gerade deshalb denen unsere Stimmen die keine Stimme mehr haben.
Was rufen uns die Gefallenen zu?
„Wir hatten nichts gegen den Menschen den wir im Krieg getötet haben. Mein Soldat der mich getötet hatte, hatte nichts gegen mich. Wir haben uns ja nicht einmal gekannt noch die gleiche Sprache gesprochen.
Aber die, die uns in den Krieg geschickt haben, haben sich sehr wohl gekannt. Sie hatten sehr wohl etwas gegeneinander. Und doch mussten Sie sich nicht voller Angst in den letzten Minuten in die Augen sehen und doch haben sie nicht aufeinander geschossen, sondern wir.
Wenn eure Politiker nach Waffen rufen, dann hinterfragt genau was ihr Ziel ist. Jeder Sanitäter, jede Sanitäterin, jeder Feuerwehrmann und jede Feuerwehrfrau lernen das der Selbstschutz an erster Stelle steht. Der Weg der militärischen Abschreckung und die gemeinsamen Bündnisse haben euch 78 Jahre Frieden in Deutschland beschert. Es braucht dafür auch Waffen, Soldatinnen und Soldaten. Nur eine wehrhafte Demokratie wird in der Lage sein den Angreifer vor seiner geplanten Tat zurückzuhalten.“
Aber eine menschenverachtende Ideologie, sei es von Herrschern oder Demagogen gilt es mit den Werten der freiheitlich demokratischen Grundordnung, mit den Werten unserer Gesellschaft und nicht mit Waffen zu hinterfragen.
Für mich ganz persönlich zählen dazu nicht nur Angriffskriegseinsätze und Verstöße gegen das Völkerrecht. Auch die Frage nach der Waffenlieferung sehe ich genau aus diesem Grund äußerst kritisch. In Friedenszeiten garantieren die Waffen den Frieden. Doch im Krieg töten sie.
Als die Fallschirmjäger Hauptfeldwebel Nils Bruns, Stabsgefreiter Robert Hartert und Hauptgefreiter Martin Augustyniak am Karfreitag dem 01. April 2010 morgens in Kundus ihren Dienst antraten, wussten Sie nicht, dass sie den Tag nicht überleben werden. Seit 1992 sind 116 Soldaten in den Auslandseinsätzen der Bundeswehr gestorben. 116 Soldaten die geschworen hatten das Recht und die Freiheit des Deutschen Volkes zu verteidigen. 116 Soldaten die den 181.000 Soldatinnen und Soldaten unserer aktuellen Bundeswehr als Beispiel dafür dienen was der Eid und das Gelöbnis im Zweifel bedeuten kann.
Das Bewusstsein in unserer Gesellschaft für diesen Einsatz unserer Soldatinnen und Soldaten ist noch deutlich verbesserungswürdig. Mit dem Ehrenmal am Berliner Verteidigungsministerium und dem Wald der Erinnerung in Schwielowsee bei Potsdam sind erste zentrale Erinnerungsorte entstanden. Der heutige zentrale Volkstrauertag hier in Furth soll ebenso ein Beitrag zu einer lebendigen Erinnerungskultur jenseits der beiden Weltkriege sein. Eine Erinnerung an die gefallenen Soldaten und ein sichtbares Zeichen für alle die heute für unsere Sicherheit und unseren Frieden ihren Dienst tun.
Furth, 18.11.2023
PS: Ich danke Hauptfeldwebel Jeanne H. für die inspirierende Zugfahrt nach Hannover.